Das Projekt DC2HEAT nutzt KI, um Abwärme von Rechenzentren klimafreundlich als Energiequelle einzusetzen. Projektleiter Dr. Ralph Hintemann erklärt im Interview die Ziele und Herausforderungen bei der Umsetzung der ressourceneffizienten Wärmenutzung.
Wann hatten Sie zum ersten Mal die Idee zu Ihrem Projekt?
Die komplexen Wechselwirkungen von Innovationen und Nachhaltigkeit beschäftigen mich schon seit dem Studium. Vor allem die Digitalisierung führt zu vielen Chancen aber auch Herausforderungen. Wir beobachten schon lange, dass der Stromverbrauch der Rechenzentren deutlich ansteigt. Damit steigt auch die Menge an Abwärme, die bisher meist ungenutzt verpufft. Bereits 2017 haben wir Projekte gestartet, die sich mit flüssiggekühlten Servern und der Möglichkeit, ihre Abwärme zu nutzen, befassten. Mit der zunehmenden Nutzung von Künstlicher Intelligenz lag für uns der Gedanke nahe, die Themen KI und Abwärme aus Rechenzentren zu verknüpfen. Passend dazu kam dann 2019 der erste Förderaufruf für die Initiative KI-Leuchttürme, der es uns ermöglichte, das Konzept der Idee weiterzuentwickeln. Wir haben schnell eine Vielzahl von Partnern und Unterstützern gefunden, die gemeinsam mit uns in DC2HEAT dazu beitragen wollen, die Digitalisierung nachhaltig zu machen.
Was macht den Leuchtturm-Charakter Ihres Projektes aus?
Die Nutzung der Abwärme aus Rechenzentren ist an sich schon ein Thema mit Leuchtturmcharakter. Wir verbinden in unserem Projekt die zwei großen Herausforderungen unserer Zeit: die Digitalisierung und die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung.
Mit dem rasanten Aufstieg der KI werden Rechenzentren immer größer und verbrauchen enorme Mengen an Energie. Aktuell entstehen viele neue Rechenzentren, die so viel Strom verbrauchen wie eine Großstadt. In DC2HEAT verknüpfen wir KI und Abwärmenutzung über zwei Ansätze. Für Künstliche Intelligenz werden immer leistungsstärkere IT-Systeme eingesetzt. Wir forschen zum einen daran, wie die steigende Abwärmemenge speziell dieser Systeme auf einem hohen Temperaturniveau mithilfe von Flüssigkeitskühlung abgeführt und genutzt werden kann. Zum anderen entwickeln wir KI-Lösungen, die dabei unterstützen, die Abwärmenutzung aus Rechenzentren insgesamt effizienter, wirtschaftlicher und einfacher zu machen – unabhängig von der Art der Kühlung und der Art des Wärmenetzes.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden bei der Abwärmenutzung von Rechenzentren?
Trotz der steigenden Sichtbarkeit des Themas und den jetzt im Energieeffizienzgesetz formulierten Verpflichtungen zur Abwärmenutzung aus Rechenzentren darf man nicht vergessen: Wir stehen bei dem Thema in Deutschland noch ganz am Anfang. Bis vor Kurzem gab es hier kein einziges Projekt, in dem Abwärme aus Rechenzentren in größerem Umfang etwa in einem Fernwärmenetz eingespeist wurde. Dazu waren die Alternativen in der Wärmebereitstellung, die auf fossilen Energieträgern beruhen, einfach viel günstiger.
Auch heute noch gibt es eine Reihe von wirtschaftlichen Herausforderungen. So ist insbesondere der Aufbau neuer Wärmenetze mit sehr hohen Investitionen verbunden. Aus klassisch luftgekühlten Rechenzentren kann die Abwärme nur mit einer Temperatur von 20°C bis 35°C bereitgestellt werden. Das heißt: wir brauchen zusätzlich teuren Strom für Wärmepumpen, um das Temperaturniveau der Abwärme zu erhöhen, damit diese überhaupt in ein Wärmenetz eingespeist werden kann. Weitere Herausforderungen bestehen darin, dass die Planungshorizonte nicht gut zueinander passen: Rechenzentren sollen meist sehr schnell aufgebaut werden. Wärmenetze hingegen werden eher langfristig geplant und errichtet. Außerdem müssen Rechenzentren und Wärmenutzer zusammengebracht und geeignete Geschäftsmodelle für die Abwärmenutzung entwickelt werden.
Genau, weil diese Herausforderungen bestehen, machen wir das Leuchtturmprojekt DC2HEAT. Wir hoffen, dass wir mit DC2HEAT dazu beitragen können, die Hürden abzubauen.
Was ist Ihre Bilanz nach einem guten Jahr Projektlaufzeit?
Unsere Bilanz ist sehr positiv. Wir konnten schon sehr viel erreichen: Das Projekt hat in der Branche eine hohe Sichtbarkeit und stößt auf hohes Interesse. Unser Netzwerk wird immer größer. Wir hatten schon von Anfang an viele Rechenzentrumsbetreibende, Kommunen, Energieversorger, Technologielieferanten und Forscher mit an Bord.
Die Entwicklung der KI-Lösungen bei unseren Projektpartnern schreitet sehr gut voran. Wir konnten zeigen, dass die Nutzung von Abwärme Rechenzentren nachhaltiger machen. Dadurch ist ein deutlicher Beitrag zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung möglich. Bis 2035 könnten schon mehr als 150.000 Wohnungen mit Abwärme aus Rechenzentren versorgt werden – und das ist erst der Anfang.
Welche Chancen sehen Sie für die Übertragbarkeit Ihrer Projektidee zur Abwärmenutzung auf weitere Rechenzentren in Deutschland und Europa?
Die Chancen zur Übertragung der Projektideen und der Lösungen sind sehr gut. Die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren wird in allen Regionen mit hohem Wärmebedarf und einer noch auf fossilen Energieträgern beruhenden Wärmeversorgung immer wichtiger. Wir sind international sehr gut vernetzt, insbesondere nach Schweden, Dänemark, die Niederlande und in die USA. Aktuell nimmt Deutschland mit dem Energieeffizienzgesetz europaweit eine Voreiterrolle ein und wird Abwärmenutzung aus Rechenzentren zum Standard machen.
Weltweit werden immer mehr Rechenzentren gebaut. Selbst Microsoft plant den eigentlich stillgelegten Atommeiler Three Mile Island wieder in Betrieb zu nehmen. Wie schätzen Sie diesen Trend für Europa ein – gerade mit Blick auf den Klimaschutz?
Derzeit wird vor allem in den USA und China massiv in KI-Hardware investiert, und das Tempo ist enorm. Innerhalb kürzester Zeit entstehen riesige neue Rechenzentren. In diesem Wettlauf können wir in Europa kaum mithalten. Aber wir können diese Herausforderung in eine Chance umwandeln: Dazu muss es uns gelingen, mit weniger KI-Hardware, weniger Stromverbrauch und mehr Klimaschutz gleich gute oder sogar bessere Ergebnisse zu erzielen. Das geht über innovative Ansätze bei der Hardware, schlanke KI-Modelle, effiziente Software und eine hohe Datenqualität. Genau hier setzt auch DC2HEAT an: Wir entwickeln effiziente KI und unterstützen dabei, dass die Rechenzentren in Europa ihre Abwärme nutzen können und so nachhaltiger werden.
Das Interview wurde von unserem Projektträger der ZUG verfasst und ist hier erschienen: https://www.z-u-g.org/meldungen/interview-mit-kuenstlicher-intelligenz-die-waermewende-voranbringen