Ein Interview mit Dr.-Ing. Thomas Weber, Co-Founder und CSO bei etalytics
„Als Gründer und CSO bin ich verantwortlich für das Wachstum und die Weiterentwicklung unseres Unternehmens. Meine persönliche Motivation kommt aus meiner Leidenschaft für innovative Technologien und deren Potenzial, echte Veränderungen zu bewirken. Mit meinem Hintergrund in Energy Science und meiner Forschungsarbeit an der Universität habe ich die etalytics KI-Lösungen mitentwickelt.“
etalytics entwickelt KI-gestützte Softwarelösungen zur Optimierung von Wärme-, Kälte und Lüftungssystemen. Mit der etaONE®-Plattform analysieren und optimieren Unternehmen ihre Energieflüsse in Echtzeit, identifizieren Einsparpotenziale und passen Betriebsstrategien automatisch an – ohne zusätzliche Hardware. So senken sie ihren Energieverbrauch, CO₂-Emissionen und Kosten erheblich, während die Betriebssicherheit jederzeit gewährleistet bleibt. Gegründet 2020 aus der TU Darmstadt, vereint etalytics Forschungsstärke mit Industrieerfahrung und unterstützt insbesondere Rechenzentren, die Chemie- und Pharmaindustrie sowie den Automobilsektor auf ihrem Weg zu mehr Energieeffizienz und nachhaltigem Wirtschaften.
Ihr habt eine Software entwickelt, die KI zur Optimierung der Kühlinfrastruktur nutzt. Die Effizienz der Energieversorgung in der Infrastruktur hatte also noch Potenziale! Wie kann man sich die Aufgabe der KI vorstellen?
Stellt euch einen Dirigenten vor, der ein großes Orchester leitet. Jede einzelne Musikerin und jeder Musiker spielt ein Instrument, und der Dirigent sorgt dafür, dass alle Instrumente im richtigen Moment mit der richtigen Lautstärke und im richtigen Tempo zusammenkommen. Wenn ein Instrument zu laut oder zu leise spielt, erkennt der Dirigent das und kann es anpassen, um das perfekte Zusammenspiel zu erreichen. Ähnlich funktioniert etaONE®: Die KI überwacht eine Vielzahl von Daten – von elektrischen und thermischen Leistungen über Temperaturen und Maschinenzustände bis hin zu externen Faktoren wie Wetterbedingungen und Energiepreisschwankungen. Sie stellt sicher, dass jede Systemkomponente, wie z. B. Pumpen, Kühltürme und Wärmeaustauscher, zur richtigen Zeit mit der optimalen Intensität arbeitet, um einen hoch effizienten Betrieb zu gewährleisten. Dadurch werden Energieverschwendung und Kosten minimiert.
An welche Grenzen stößt die bisherige Vorgehensweise in der Steuerung der Kühlsystemen? Wie löst eure KI-gesteuerte Steuerung diese Grenzen auf?
Die bisherigen Vorgehensweisen stoßen an ihre Grenzen, weil sie oft statisch und unflexibel sind. Sie basieren auf festgelegten Sollwerten, die selten angepasst werden, selbst wenn sich äußere Bedingungen wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit ständig ändern. Dies führt zu ineffizientem Betrieb und unnötigem Energieverbrauch. Außerdem hängen diese Systeme oft stark von manuellen Eingriffen durch Mitarbeiter ab, die auf Basis ihrer Erfahrung Entscheidungen treffen, was zu weiteren Ineffizienzen führen kann.
Im Gegensatz dazu nutzt der KI-gesteuerte Optimierer von etaONE® Echtzeitdaten aus verschiedenen Quellen, um dynamisch die optimalen Setpoints für jede Komponente des Kühlsystems zu ermitteln. So kann das System sofort auf Änderungen reagieren und die Kühlung kontinuierlich optimieren, ohne dass manuelle Anpassungen erforderlich sind.
Welche weiteren Vorteile bietet eure KI-Lösung neben der Effizienz in Bezug auf die Entwärmung von Rechenzentren?
Über unseren Modellierungsansatz wird eine detaillierte mathematische Beschreibung des Systemverhaltens der Energiewandler erstellt. Die geschaffene Transparenz ermöglicht es, fehlerhafte Betriebszustände der Energiewandler, fehlerhafte Sensoren oder fortschreitenden Anlagenverschleiß zu erkennen und die negativen Auswirkungen zu bewerten. Zudem lassen sich über das Optimierungsmodell auch fiktive Szenarien simulieren. Was wäre wenn ich mehr Kühltürme hätte? Wie würde das System bei 40 °C Umgebungstemperatur und voller Auslastung reagieren? Hier helfen wir unseren Kunden bei wichtigen Investitionsentscheidungen in ihre Infrastruktur.
Gibt es grundsätzliche oder explizite Herausforderungen im Einsatz der Software oder neue Aufgaben, die im Betrieb auftreten?
Ja, es gibt einige Punkte zu beachten, aber insgesamt macht unsere Software den Betrieb einfacher. Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist eine hinreichend gute Datenqualität, damit die KI ihr volles Potenzial entfalten kann. Hier unterstützen wir unsere Kunden bei der Bewertung und Verbesserung ihrer Datenqualität.
Der Einsatz der Software bedeutet für die Mitarbeitenden keine zusätzlichen, komplexen Aufgaben. Im Gegenteil: Die KI übernimmt viele Optimierungsprozesse automatisch, sodass manuelle Anpassungen an den Anlagen reduziert werden. In unserem schrittweisen Implementierungsprozess gibt die KI zu Beginn nur Empfehlungen, die das Team überprüft und manuell umsetzt. So lernen die Mitarbeitenden, wie die KI funktioniert, warum sie bestimmte Empfehlungen gibt und welche Optimierungspotenziale sie nutzt, bevor die autonome Optimierung vollständig übernimmt.
Wir begleiten und schulen das Team in jedem Schritt des Prozesses, um sicherzustellen, dass alle den Umgang mit der Software verstehen und sich sicher fühlen. Dadurch wird der Betrieb nicht nur effizienter, sondern auch deutlich einfacher zu steuern.
Wie reagiert die Branche und wie reagieren die Nutzenden auf euren KI-Ansatz? Müsst ihr Bedenken oder Skepsis ausräumen oder gibt es eher Akzeptanz?
In der Branche beobachten wir eine Mischung aus Begeisterung und Skepsis. Einerseits gibt es großes Interesse an den Möglichkeiten, die KI zur Effizienzsteigerung bietet. Andererseits ist vor allem im Bereich der Rechenzentrumsinfrastruktur die Frage der Zuverlässigkeit der KI immer ein Thema.
Deshalb haben wir uns für einen transparenten und schrittweisen Rollout entschieden: Unsere Software beginnt als Empfehlungssystem, sodass sich unsere Kunden mit der Technologie vertraut machen können und jederzeit eingreifen können, falls nötig. Wir zeigen, dass die Kontrolle immer beim Betreiber bleibt – unsere Software arbeitet unterstützend und kann jederzeit deaktiviert werden, wenn es gewünscht ist.
In der Praxis überzeugt dann meist das Ergebnis: Wenn unsere KI die gleichen Prozesse effizienter steuert und den Energieverbrauch messbar senkt, steigt die Akzeptanz automatisch.
Hat das Energieeffizienzgesetz die Entwicklung und den Einsatz eurer KI-Software beeinflusst und wenn ja, inwiefern?
Ja, das Energieeffizienzgesetz hatte definitiv Einfluss auf den Einsatz unserer KI-Software. Die neuen Anforderungen, wie z. B. die strikteren PUE-Vorgaben und die Verpflichtung zu mehr Transparenz in der Berichterstattung haben Rechenzentren vor neue Herausforderungen gestellt und den Bedarf für Effizienzlösungen erhöht. Hier muss allerdings angemerkt werden, dass wir auch schon Jahre vor Inkrafttreten des Energieeffizienzgesetztes Rechenzentren als Kunden gewinnen konnten.
Insgesamt freuen wir uns natürlich darüber, dass wir mit unserer Lösung Rechenzentrumsbetreibern dabei helfen ihre Effizienz zu steigern, ihren PUE senken und gleichzeitig regulatorische Vorgaben zu erfüllen.
Wo seht ihr die Zukunft für KI in der Entwärmung von Rechenzentren?
Der Einsatz von KI in der Kälteerzeugung von Rechenzentren ist noch ganz am Anfang. In Zukunft werden auf Grund der umfänglichen Datenmengen die meisten Prozesse im Energiemanagement sowie der Überwachung und Wartung von Komponenten vollständig automatisiert sein. Die zu beherrschende Komplexität steigt mit der Abwärmeauskopplung ja auch nur noch, weshalb der Einsatz intelligenter Systeme in Zukunft unumgänglich sein wird.
Hier haben wir noch viel Arbeit vor uns, aber die Potentiale schätzen wir als gewaltig ein.